Darf der Arbeitgeber mich während der Krankschreibung kündigen?
Arbeitsrecht | Lesedauer: 5 min | 29.09.2025
1. Kündigung während der Krankheit
Eine Arbeitsunfähigkeit begründet keine Kündigungssperre. Dem Arbeitgeber ist es nicht verwehrt, eine Kündigung auszusprechen und dem krankgeschriebenen Arbeitnehmer zuzustellen. Dabei gelten die gleichen Grundsätze, wie bei einer Kündigung gegenüber einem nicht krankgeschriebenen Arbeitnehmer. Mehr dazu hier.
Eine Kündigung kann verschiedene Ursachen bzw. Gründe haben. Begeht beispielsweise ein Arbeitnehmer eine schwerwiegende Pflichtverletzung und rechnet er mit einer fristlosen Kündigung, so kann er sich nicht mit einer Krankschreibung vor einer solchen Kündigung „retten“. Auch betriebliche Gründe können eine Kündigung rechtfertigen, unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer krankgeschrieben ist oder nicht. Zu beachten ist, dass der Arbeitgeber in einem sog. Kleinbetrieb auch ohne Vorliegen eines bestimmten Kündigungsgrundes kündigen kann. Die Kündigung muss für ihre Wirksamkeit gewisse Voraussetzungen erfüllen. Die Kündigung muss dabei form- und fristgerecht erfolgen und von dem Berechtigten erklärt werden.
2. Kündigung wegen der Krankheit
Etwas komplexer ist die Frage, wenn die Krankheit selbst der Grund für eine Kündigung ist. Ob der Arbeitgeber in einem solchen Fall ohne Weiteres kündigen darf, hängt zunächst davon ab, ob es sich um einen Kleinbetrieb handelt oder nicht. Denn in einem Kleinbetrieb ist das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) nicht anwendbar (mehr dazu hier) Demnach bedarf es auch keines Kündigungsgrundes. Aber auch in einem Kleinbetrieb sind die Arbeitnehmer nicht schutzlos gestellt. Beispielsweise darf die Kündigung dabei nicht treuwidrig sein (§ 242 BGB). Dies ist der Fall, wenn die Kündigung zur Unzeit erfolgt, z.B. während eines Krankenhausaufenthaltes nach einem schweren Unfall. Eine solche Kündigung, die ohne wichtige Gründe kurz nach einem Arbeitsunfall im Krankenhaus überreicht wird, kann als treuwidrig und damit unwirksam angesehen werden.
Handelt es sich nicht um einen Kleinbetrieb, so ist das KSchG anwendbar. Die Kündigung muss in einem solchen Fall sozial gerechtfertigt sein. Soziale Rechtfertigungsgründe können sich gemäß § 1 KSchG aus personenbedingten, verhaltensbedingten, oder betriebsbedingten Gründen ergeben. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber die Kündigung nur auf diese drei Gründe stützen darf (mehr dazu hier).
Will der Arbeitgeber wegen der Krankheit kündigen, so beruht die Kündigung auf einem personenbedingten Grund. Das sind Gründe in Person des Arbeitnehmers, die dieser nicht beeinflussen kann, selbst wenn er das wollte. Bei einer personenbedingten Kündigung müssen gewisse Voraussetzungen wie erhebliche Auswirkungen auf betriebliche Abläufe, negative Zukunftsprognose, keine milderen Mittel sowie eine zugunsten des Arbeitnehmers ausfallende Interessenabwägung vorliegen. Für diese Voraussetzungen hat der Arbeitgeber die Beweislast.
Eine personenbedingte Kündigung kann bei unzumutbaren Fehlzeiten gerechtfertigt sein. Entscheidend ist dabei wie oft der Arbeitnehmer in den letzten 3 Jahren krankgeschrieben war. Grundsätzlich muss der Arbeitgeber bis zu 30 Kranktage (6 Wochen) im Jahr hinnehmen. Ist der Arbeitnehmer mehr als 30 Tage im Jahr krank, so wird das grundsätzlich als unzumutbar angesehen. Dabei ist es unerheblich, ob dies aufgrund Kurzerkrankungen oder lang anhaltender Arbeitsunfähigkeit geschieht. Entscheidend dabei ist, ob eine negative Zukunftsprognose vorliegt. Eine solche wird angenommen, wenn mit einer Genesung nicht zu rechnen ist und es auch in der Zukunft zu unzumutbaren Fehlzeiten kommt. Dabei muss es sich auch nicht um eine schwere Krankheit handeln. Ausreichend ist es, wenn der Arbeitnehmer z.B. wegen Rückenschmerzen immer wieder mehr als 6 Wochen im Jahr ausfällt.
Zu beachten ist, dass der Arbeitgeber vor Ausspruch der krankheitsbedingten Kündigung ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchführen muss, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen krank ist, § 167 Abs. 2 SGB IX. Das BEM ist für den Arbeitnehmer nicht verpflichtend, der Arbeitgeber muss dieses dem Arbeitnehmer jedoch ordnungsgemäß anbieten. Im Rahmen des BEM werden Möglichkeiten für eine leidensgerechte Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers geprüft. Ziel ist es, Maßnahmen zu erkennen und durchzuführen, die gegenüber einer Kündigung ein milderes Mittel darstellen. Solche können z.B. eine stufenweise Wiedereingliederung (Hamburger Modell), Versetzung, Anordnung von Homeoffice, eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes etc. sein.
Wurde das BEM nicht angeboten oder nicht durchgeführt, so führt das nicht per se zur Unwirksamkeit der krankheitsbedingten Kündigung. Da aber der Arbeitgeber in einem Gerichtsprozess beweisbelastet ist, so dürfte er nur schwer beweisen können, dass ihm keine milderen Mittel als die Kündigung zur Verfügung standen.
3. Was tun bei einer Kündigung während oder wegen einer Krankheit?
Gegen eine Kündigung muss innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage erhoben werden. Mit der Kündigungsschutzklage wird die Wirksamkeit der Kündigung gerichtlich geprüft. Wird diese Frist versäumt, gilt die Kündigung als wirksam (§ 7 KSchG).
Beitrag von Rechtsanwalt Alexander Stulin
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