Kündigung durch Nichtberechtigten? - Zurückweisung der Kündigung möglich!
Arbeitsrecht | Lesedauer: 9 min | 29.09.2025
1. Kündigung durch Vertreter ohne Vollmacht
Eine Zurückweisung der Kündigung kommt nur dann in Betracht, wenn die Kündigung nicht durch den Arbeitgeber persönlich, sondern durch einen Vertreter erklärt wird.
a) Kündigung durch den gesetzlichen Vertreter
Wird die Kündigung durch den gesetzlichen Vertreter, z.B. durch
- den Geschäftsführer einer GmbH,
- den Vorstand einer AG,
- die Gesellschafter einer OHG,
- die Gesellschafter einer GbR,
- die Komplementäre einer KG,
- den Geschäftsführer der GmbH bei einer GmbH & Co.KG
erklärt, ist die Zurückweisung der Kündigung aufgrund der gesetzlichen Grundlage bzw. der organschaftlichen Vertretung, grundsätzlich nicht möglich (BAG, Urteil vom 29.01.2015 - 2 AZR 280/14). Denn der gesetzliche Vertreter ist quasi der Arbeitgeber selbst. Aber auch in solchen Fällen ist die Zurückweisung nicht per se ausgeschlossen. Denn grundsätzlich vertreten alle Geschäftsführer, alle Gesellschafter, alle Komplementäre und alle Vorstandsmitglieder ihre Gesellschaft gemeinschaftlich. Demnach muss auch die Kündigung gemeinschaftlich erklärt werden. Hat z.B. eine GmbH mehrere Geschäftsführer und spricht nur einer die Kündigung aus, so kann die Kündigung nach § 174 BGB zurückgewiesen werden, sofern keine Ermächtigungsurkunde der anderen Geschäftsführern vorgelegt wird (LAG Köln, Urteil vom 13.08.2013 - 11 Sa 1099/12 ).
b) Kündigung durch den bevollmächtigten Vertreter
Gemäß § 174 Satz 1 BGB ist eine Kündigung, die ein Bevollmächtigter ausspricht unwirksam, wenn der Bevollmächtigte dem Arbeitnehmer keine Vollmachtsurkunde vorlegt und der Arbeitnehmer die Kündigung aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Demnach muss der bevollmächtigte Vertreter beim Ausspruch der Kündigung auch das Original einer Vollmachtsurkunde beilegen, aus der sich die Bevollmächtigung bzw. die Berechtigung zum Kündigungsausspruch ergibt.
2. Keine Kenntnis von der Bevollmächtigung
Die Zurückweisung ist nach § 174 Satz 2 BGB ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bzw. die Belegschaft von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte. Dies kann z.B. sein, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vorher mitgeteilt hat, dass eine bestimmte Person (meist Vorgesetzter oder Objektleiter) kündigungsberechtigt sei. In einem solchen Fall braucht der Bevollmächtigte keine Vollmachtsurkunde. Für das Inkenntnissetzen muss der Arbeitgeber (Vollmachtgeber) jedoch konkret die zur Kündigung berechtigte Person benennen. Die bloße Mitteilung im Arbeitsvertrag, dass eine Person mit bestimmter Funktion kündigen dürfe (z.B.„ein Objektleiter kann die Kündigung aussprechen“), reicht dafür nicht aus. Dabei genügt es auch nicht, dass sich die Zuordnung der Person zur Funktion aus öffentlich zugänglichen Quellen ergibt. Erforderlich ist vielmehr ein zusätzliches Handeln des Arbeitgebers zur Information des Arbeitnehmers, durch das der Arbeitnehmer den Namen des aktuellen Objektleiters erfahren kann (BAG, Urteil vom 14.04.2011 - 6 AZR 727/09). Als ausreichend wird von der Rechtsprechung angesehen, die Bekanntmachung im Intranet zu veröffentlichen und den Arbeitnehmer aufzufordern, sich im Intranet darüber vorher zu informieren (Vgl. BAG, Urteil vom 20.09.2006 - 6 AZR 82/06).
Die Kündigungsberechtigung kann sich auch aus der besonderen Stellung im Unternehmen ergeben, sodass die Vorlage einer Vollmacht entbehrlich ist. So braucht beispielsweise der Personalabteilungsleiter keine Vollmachtsurkunde vorlegen, sofern der Arbeitnehmer über die Stellung des Kündigenden als Personalleiter Kenntnis hat. Die Stellung des Personalleiters lässt bereits auf eine Bevollmächtigung zum Ausspruch von Kündigungen schließen. (BAG, Urteil vom 30.05.1972 - 2 AZR 298/71). In einem solchen Fall hat der Arbeitgeber seine Belegschaft im Sinne de § 174 Satz 2 BGB davon in Kenntnis gesetzt, dass der Personalabteilungsleiter zur Abgabe von Kündigungserklärungen bevollmächtigt ist. Die Kündigungsbefugnis des Personalabteilungsleiter wird auch nicht dadurch begrenzt, wenn er zugleich eine Gesamtprokura innehat. Demnach macht es keinen Unterschied, ob der Personalabteilungsleiter mit dem Zusatz „ppa“ unterzeichnet hat oder nicht(BAG, Urteil vom 25.8.2014 – 2 AZR 567/13).
Auch ein Prokurist wird in der Regel als kündigungsberechtigt angesehen, wenn die Prokura gemäß § 15 Abs. 2 HGB länger als 15 Tage im Handelsregister eingetragen ist. Wird die Kündigung durch den Prokuristen ohne Vorlage einer schriftlichen Vollmachtsurkunde erklärt, so kann der gekündigte Arbeitnehmer die Kündigung nicht zurückweisen, wenn die Prokura im Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht worden ist. Liegt eine sog. Gesamtprokura vor, so ist der Prokurist nicht alleinvertretungsbefugt und damit auch nicht (allein)kündigungsbefugt. Vielmehr müssen auch andere Prokuristen oder auch Geschäftsführer unterzeichnen, damit die Kündigung wirksam ist.
Zu beachten ist, dass die bloße Übertragung einer solchen Position nicht ausreichend ist, wenn diese Funktionsübertragung im Betrieb nicht ersichtlich ist und auch keine sonstige Bekanntmachung erfolgt ist. Vielmehr ist es erforderlich, dass der Arbeitnehmer davor in Kenntnis gesetzt wird, dass der Erklärende diese Stellung tatsächlich innehat. Diese Notwendigkeit ergibt sich daraus, dass die Übertragung einer solchen Position zunächst ein rein interner Vorgang ist. Ein Inkenntnissetzen i.S.d. § 174 Satz 2 BGB verlangt aber auch einen äußeren Vorgang, der diesen inneren Vorgang öffentlich macht.
3. Unverzügliche Zurückweisung aufgrund fehlender Vollmacht
Die Zurückweisung muss gegenüber dem Arbeitgeber selbst oder dem Bevollmächtigten unverzüglich erklärt werden. Aus der Zurückweisungserklärung muss deutlich hervorgehen, dass die Zurückweisung gerade wegen der Nichtvorlage der Vollmachtsurkunde erfolgt ist (LAG Köln, Urteil vom 02.03.2018 - 6 Sa 958/17). Eine Zurückweisung aus anderen Gründen oder ein Widerspruch gegen die Kündigung, reicht dafür nicht aus. Zur besseren Beweisbarkeit empfiehlt es sich, die Zurückweisung schriftlich zu fixieren. Erfolgt keine Zurückweisung der Kündigung, kann die Kündigung gemäß §§ 177 Abs. 1, 180 Satz 2 BGB nachträglich durch den Arbeitgeber genehmigt werden.
Weiterhin muss die Zurückweisung unverzüglich erklärt werden. Unverzüglich bedeutet dabei gemäß § 121 BGB ohne schuldhaftes Zögern. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, ist eine Zurückweisung die später als eine Woche erfolgt, nicht mehr unverzüglich (BAG, Urteil vom 08. Dezember 2011 – 6 AZR 354/10; BAG Urteil vom 13.12.2012 - 6 AZR 608/11).
4. Rechtsfolge der Zurückweisung
Die Kündigung wird durch eine rechtzeitige Zurückweisung unwirksam. Die nachträgliche Vorlage einer Vollmachtsurkunde ändert daran nichts. Vielmehr muss eine neue Kündigung erklärt werden, entweder durch den Arbeitgeber persönlich oder durch den Stellvertreter mit gleichzeitiger Vorlegung der Vollmachtsurkunde im Original.
5 Praktische Relevanz
Dass die Zurückweisung ein sehr wirkungsvolles Instrument sein kann, wird vor allem im Falle einer fristlosen Kündigung oder Kündigung während der Probezeit deutlich.
a) Fristlose Kündigung
Die fristlose Kündigung muss gemäß § 626 Abs. 2 BGB innerhalb von zwei Wochen, nachdem der Arbeitgeber Kenntnis von der für die Kündigung relevanten Tatsachen erlangt hat, erfolgen. Verpasst er diese Frist, so ist die außerordentliche Kündigung unwirksam. Demnach ist es realistisch, dass der Arbeitgeber nach der Zurückweisung der ersten Kündigung mangels Vollmacht, es nicht innerhalb der zwei-Wochenfrist schafft, eine erneute fristlose Kündigung auszusprechen.
b) Kündigung in der Probezeit
Die Kündigungsfrist während der Probezeit beträgt gemäß § 622 Abs. 3 BGB zwei Wochen. Kündigt ein Vertreter ohne die entsprechende Vollmacht wenige Tage vor Ende der Probezeit und wird die Kündigung zurückgewiesen, so ist es möglich, dass der Arbeitgeber es nicht schafft, noch während der Probezeit die zweite Kündigung auszusprechen.
6. Tipps für Arbeitnehmer und Arbeitgeber
a) Für Arbeitnehmer:
Den Arbeitnehmern ist zu raten, genaustens darauf zu achten, von wem die Kündigung ausgesprochen bzw. unterschrieben wird. Dabei lohnt sich oft der Blick in das Handelsregister. Wird diese nicht vom Arbeitgeber sondern einem Vertreter ohne Vollmacht erklärt, soll der Arbeitnehmer schnell – am besten innerhalb einer Woche –, handeln und die Kündigung schriftlich zurückweisen. Zwar kann der Arbeitgeber dann eine erneute Kündigung aussprechen, jedoch kann dabei Zeit vergehen, sodass nach den o.g. Beispielen entweder eine erneute fristlose Kündigung nicht mehr möglich ist, sodass nur ordentlich gekündigt werden kann und der Arbeitnehmer für die Zeit der Kündigungsfrist sein Gehalt bekommt oder eine erneute Kündigung in der Probezeit nicht mehr möglich ist. Dies hat vor allem erhebliche Bedeutung bei Unternehmen mit mehr als 10 Mitarbeitern. Denn dann greift das Kündigungsschutzgesetz, sodass es für die Kündigung eines Kündigungsgrundes bedarf. Weiterhin ist den Arbeitnehmern zu raten, nach der Zurückweisung auch eine Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen zu erheben. Andernfalls wird die Kündigung aufgrund der Fiktionswirkung des § 7 KSchG wirksam.
b) Für Arbeitgeber:
Den Arbeitgebern ist dringend zu raten - neben den weiteren Formerfordernissen wie Schriftform und richtige Angabe der Kündigungsfrist -, auch darauf zu achten, dass die Kündigung am besten persönlich unterzeichnet wird. Ist dies nicht möglich, müssen die bevollmächtigten Personen in jedem Fall eine Originalvollmacht der Kündigung – nachweisbar! – beifügen. Eine Kopie der Vollmacht genügt nicht. Andernfalls kann die Kündigung zurückgewiesen werden. Zwar besteht die Möglichkeit die Kündigung erneut auszusprechen, jedoch besteht bei fristlosen Kündigungen oder Kündigungen in der Probezeit die Gefahr, dass wertvolle Zeit verstreicht und eine erneute fristlose Kündigung oder erneute Kündigung in der Probezeit, nicht mehr möglich sind.
Beitrag von Rechtsanwalt Alexander Stulin
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