Kündigung ohne Grund? - Im Kleinbetrieb möglich!
Arbeitsrecht | Lesedauer: 7 min | 29.09.2025
1. Anwendbarkeit des KSchG
Das KSchG ist nicht per se auf alle Arbeitsverhältnisse anwendbar. Vielmehr müssen gewisse Voraussetzungen für die Anwendbarkeit erfüllt sein.
a) Sachlicher Anwendungsbereich
Das KSchG gilt nur bei Kündigungen durch den Arbeitgeber. Nicht erfasst sind Aufhebungsverträge oder sonstige Beendigungstatbestände.
b) Zeitlicher Anwendungsbereich
Das KSchG gilt nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als 6 Monate bestanden hat. Es steht den Parteien jedoch frei, vertraglich die Wartezeit von 6 Monaten zu verkürzen oder vollständig darauf zu verzichten.
c) Persönlicher Anwendungsbereich
Das KSchG gilt nur für Arbeitnehmer. Darunter sind alle Mitarbeiter zu verstehen, die aufgrund eines Arbeitsverhältnisses tätig sind. Dazu zählen alle Vollzeit-, Teilzeitbeschäftigte und auch Werkstudenten und Minijobber. Auch leitende Mitarbeiter (Geschäftsführer, Geschäftsleiter, Betriebsleiter, Abteilungsleiter) genießen einen Kündigungsschutz. Diejenigen, die zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, haben einen Kündigungsschutz nach dem KSchG mit einigen Besonderheiten. Es besteht keine Möglichkeit, ein Kündigungseinspruchsverfahren nach § 3 KSchG durchzuführen. Zudem kann das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Arbeitgebers ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes gemäß § 9 KSchG durch eine Abfindung beendet werden. Außerdem fallen sie nicht unter den Schutz des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG), sofern die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 BetrVG vorliegen.
Das KSchG gilt nicht für Auszubildende, Praktikanten und Volontäre. Nicht erfasst werden auch Mitglieder des Organs, die zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen sind (z.B. Geschäftsführer einer GmbH). Ebenfalls sind Personen von dem Anwendungsbereich des KSchG ausgenommen, die in Betrieben einer Personengesamtheit (z.B. OHG, KG) durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen sind. Auch Gesellschafter und Vereinsmitglieder sind keine Arbeitnehmer i.S.d. KSchG und genießen daher keinen Kündigungsschutz.
d) Betrieblicher Anwendungsbereich
Die Anwendbarkeit des KSchG hängt auch von der Betriebsgröße, d.h. von der Anzahl der Beschäftigten ab. Das KSchG gilt in Betrieben mit mehr als 10 Arbeitnehmern (der gekündigte Arbeitnehmer wird mitgerechnet). Eine Ausnahme liegt bei Kündigungen der sog. „Alt-Arbeitnehmern“ vor, welche ihre Tätigkeit in dem Betrieb vor dem 01.01.2004 begonnen haben. Für diese „Alt-Arbeitnehmer“ gilt die Grenze von mehr als 5 Arbeitnehmern. Voraussetzung ist jedoch, dass zum Kündigungszeitpunkt immer noch mehr als 5 der „Alt-Arbeitnehmer“ im Betrieb tätig sind. Arbeiten in dem Betrieb mehr als 10 Mitarbeiter (egal ab welchem Datum), so gilt das KSchG für alle Arbeitnehmer.
aa) Was versteht man unter einem Betrieb?
Eine gesetzliche Definition des Betriebsbegriffs gibt es nicht. Nach der Rechtsprechung ist ein Betrieb i.S.d. § 23 KSchG die organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt (BAG, Urteil vom 19.07.2016 - 2 AZR 468/15; Sächsisches LAG, Urteil vom 20.9.2021 – 1 Sa 110/20).
Entscheidend ist die Anzahl der Mitarbeiter in dem jeweiligen Betrieb. Dabei sind die Begriffe „Betrieb“ und „Unternehmen“ zu unterscheiden. Wird ein Unternehmen nur an einem Ort betrieben bzw. gibt es nur eine Betriebsstätte, so fallen die Begriffe „Betrieb“ und „Unternehmen“ zusammen.
Es kann auch sein, dass ein Unternehmen mehrere Betriebe hat z.B. einzelne Filialen einer Supermarkt-Kette oder Geschäftsstellen einer Bank. Entscheidend ist, ob der Betrieb für sich allein eine funktionsfähige organisatorische Einheit bildet, d.h. über eine eigene Organisation und Verwaltung verfügt und sich über eigene Personalangelegenheiten kümmert. Ist das der Fall, so erfolgt kein Zusammenrechnen aller Mitarbeiter im Unternehmen. Maßgeblich ist vielmehr die Anzahl innerhalb des Betriebsteils. Unter Umständen kann also auch der Mitarbeiter eines großen Unternehmens in einem Kleinbetrieb angestellt sein.
Anders ist es, wenn das Unternehmen aus mehreren einheitlich und zentral gelenkten Filialen bzw. Verkaufsstellen mit einer einheitlichen Personalleitung besteht. Hier setzt sich der Betrieb aus den gesamten Verkaufsstellen und der dazugehörigen Verwaltung zusammen. Bei solch einem einheitlichen Betrieb werden alle Arbeitnehmer zusammengezählt.
bb) Berechnung der Mitarbeiterzahl
Die Berechnung erfolgt dabei nicht pro Kopf, sondern nach der wöchentlichen Arbeitszeit:
- wer mehr als 30 Stunden arbeitet wird als 1,0 Arbeitnehmer gerechnet
- wer bis zu 30 Stunden arbeitet, wird als 0,75 Arbeitnehmer gerechnet
- wer bis zu 20 Stunden arbeitet, wird als 0,5 Arbeitnehmer gerechnet
Sind in einem Betrieb beispielsweise 8 Vollzeitbeschäftigte und 4 Teilzeitbeschäftigte zu je 20 Stunden die Woche tätig, so hat der Betrieb nach dem Maßstab des § 23 KSchG lediglich 10 Mitarbeiter (8 + (0,5 * 4)). Es handelt sich dabei um einen Kleinbetrieb, sodass das KSchG keine Anwendung findet.
2. Kündigungsschutz in einem Kleinbetrieb
Handelt es sich um einen Kleinbetrieb mit weniger als 10 Mitarbeitern, findet das KSchG keine Anwendung. Zwar bedarf der Arbeitgeber keines Kündigungsgrundes, aber auch in einem Kleinbetrieb sind die Arbeitnehmer nicht schutzlos gestellt.
a) Formale Anforderungen
Auch in einem Kleinbetrieb muss die Kündigung form- und fristgerecht erfolgen und von dem Berechtigten erklärt werden. Ist ein Betriebsrat vorhanden, so muss dieser gemäß § 102 BetrVG vor Ausspruch der Kündigung auch in einem Kleinbetrieb angehört werden.
b) Allgemeiner Kündigungsschutz
Die Kündigung darf zudem nicht willkürlich, rechtsmissbräuchlich, diskriminierend oder aus sachfremden Motiven erfolgen. Der Arbeitgeber darf auch nicht gegen das Maßregelungsverbot (§ 612a BGB) verstoßen. Das bedeutet der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer nicht kündigen, wenn dieser seine berechtigten Ansprüche geltend macht. Die Kündigung darf auch nicht treuwidrig sein (§ 242 BGB). Dies ist der Fall, wenn die Kündigung zur Unzeit erfolgt, z.B. während eines Krankenhausaufenthaltes nach einem schweren Unfall oder am Beerdigungstag eines nahen Angehörigen.
Zwar findet bei Kündigungen in Kleinbetrieben eine Sozialauswahl nicht statt – da das KSchG nicht anwendbar ist –, dennoch darf der Arbeitgeber die sozialen Aspekte nicht gänzlich außer acht lassen. Dabei sind die familiären Verhältnisse und die Dauer der Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen.
c) Besonderer Kündigungsschutz
Unabhängig von der Betriebsgröße genießen bestimmte Personengruppen – wie Schwangere, Schwerbehinderte oder Betriebsräte – auch in einem Kleinbetrieb besonderen Kündigungsschutz.
3. Fazit
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Kündigungen in Kleinbetrieben zwar ohne Angabe eines Grundes möglich sind, dennoch aber nicht völlig schrankenlos erfolgen dürfen. Insbesondere bei Verdacht auf Willkür, Diskriminierung oder Verstöße gegen Sonderkündigungsschutz sollten Arbeitnehmer ihre Rechte prüfen lassen.
Sollten Sie als Arbeitnehmer oder Arbeitgeber mit einer Kündigung im Kleinbetrieb konfrontiert sein oder rechtliche Unsicherheiten bestehen, stehe ich Ihnen gerne beratend zur Seite. Eine frühzeitige anwaltliche Beratung kann helfen, Fehler zu vermeiden und Ihre Interessen bestmöglich zu wahren. Kontaktieren Sie mich gerne für ein persönliches Gespräch – gemeinsam finden wir eine passende Lösung für Ihr Anliegen.
Beitrag von Rechtsanwalt Alexander Stulin
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